Dieser Beitrag ist unter dem Titel ‘Kritische Anmerkungen zu den Forschungsergebnissen von Heinrich Kusch‘ in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift des Historischen Verein für Steiermark erschienen. Der Beitrag zeigt auf, mit welchen teils fragwürdigen Methoden Heinrich Kusch zu seinen Erkenntnissen gekommen ist und erörtert, warum diese mit den Ergebnissen der seriösen Erdstall-Forschung massiv im Widerspruch stehen.
Kritische Anmerkungen zu den Forschungsergebnissen von Heinrich Kusch
Josef Weichenberger
Der Erdstall, als künstlich von Menschenhand angelegte unterirdische Anlage, ist ein Phänomen, das im deutschsprachigen Raum weit verbreitet ist. Vor allem in Bayern, Oberösterreich und Niederösterreich gibt es eine lange Forschungsgeschichte, die bis ins 19. Jahrhundert zurück reicht.
Obwohl auch im Süden Österreichs unterirdische Anlagen bekannt sind, die zu unterschiedlichen Zeiten von Menschenhand geschaffen wurden, ist das Phänomen der Erdställe dort bis vor kurzem kaum untersucht worden. Darum ist es erfreulich, dass sich seit dem Jahr 2006 mit Dr. Heinrich Kusch ein Höhlenforscher mit jahrzehntelanger Erfahrung intensiv der Wiederauffindung, Erforschung und Dokumentation unteririschen Gänge in der Steiermark, insbesondere in der Region um Vorau, widmet.
Um Heinrich Kusch fand sich bald ein engagierter Personenkreis zusammen und in Folge gründete sich mit „Sub Terra Vorau“ ein eigener Verein. Laut einem Fernsehbericht[1] haben Kusch und sein Team bis Ende 2011 insgesamt fast 400 unterirdischen Anlagen untersucht.
Ergebnisse dieser Recherchen sind in den letzten Jahren in der einschlägigen Fachliteratur – wie der Fachzeitschrift „Der Erdstall“ [2] – dokumentiert worden. Darüber hinaus hat Heinrich Kusch gemeinsam mit seiner Frau Ingrid, die als Mitautorin aufscheint, im Jahr 2009 auch einen Bildband mit dem Titel „Tore zur Unterwelt – Das Geheimnis der unterirdischen Gänge aus uralter Zeit …“ publiziert. Im Jahr 2011 folgte eine DVD, die auch diesen Titel trägt.
Das attraktiv gestaltete Buch, die DVD und die damit einhergehende Pressearbeit des Verlages und von Heinrich Kusch haben dem Thema auch in der breiteren Öffentlichkeit Aufmerksamkeit gebracht, unter anderem auch im Rahmen eines Beitrages in der ORF-Sendung „Winterzeit“ am 1. Dezember 2011 und zahlreiche Zeitungsartikel.
So erfreulich es ist, dass sich das Forscherpaar Kusch mit dem Team von Sub Terra Vorau intensiv mit den unterirdischen Objekten in der Steiermark beschäftigt, so problematisch sind die in den Publikationen gezogenen Schlüsse und die Interpretation der Anlagen als prähistorisch. Auch wenn sich der Bildband „Tore zur Unterwelt“ um einen populärwissenschaftlichen Anstrich bemüht, so ist das Buch zwar populär, jedoch nicht wissenschaftlich.
Auch wenn trotz intensiver Forschung nach wie vor vieles am Phänomen der Erdställe rätselhaft bleibt, so gibt es doch einiges, was man dem heutigen Forschungsstand entsprechend mit großer Bestimmtheit über Erdställe und andere künstlich geschaffene unterirdische Objekte sagen kann. Nicht zuletzt, weil im Laufe des wissenschaftlichen Forschungsprozesses so manche These falsifiziert werden konnte. Die Ergebnisse der Erdstallforschung widersprechen deutlich denen von Heinrich und Ingrid Kusch.
Deshalb sollen die entsprechenden Veröffentlichungen von Kusch hier kritisch beleuchtet werden. Wegen der leichteren Lesbarkeit werden im Folgenden nicht jeweils die Namen der beiden Buchautoren Ingrid und Heinrich Kusch angeführt, sondern stattdessen mit „Kusch“ abgekürzt.
Im Rahmen dieser Rezension werden die publizierten Erkenntnisse und Theorien Kuschs kommentiert, dem allgemeinen Kenntnisstand der Erdstallforschung gegenübergestellt und Widersprüche in den Theorien Kuschs aufgezeigt. Um die Aussagen zu den jeweils besprochenen Themen möglichst exakt darzustellen, werden sehr viele Textpassagen zitiert.
Bei dieser Gelegenheit sei angemerkt, dass die Forschungsaktivitäten von Heinrich und Ingrid Kusch rund um die unterirdischen Gänge in der Steiermark mit großem Interesse gesehen werden und ich die beiden auch persönlich schätze, es jedoch massive Vorbehalte gegen ihre Forschungsmethoden, die aufgestellten Behauptungen und die Zeitstellung der unterirdischen Anlagen gibt.
Angeblicher alter Plan mit unterirdischem Gangnetz
Eine zentrale Rolle in der Forschung und den Thesen von Kusch spielt ein alter Plan, der in einer alten Kanonenkugel gefunden worden sein soll. Laut Kusch ist auf diesem Plan ein unterirdisches Gangnetz unter dem Stift Vorau verzeichnet. Im Buch „Tore zur Unterwelt“ lesen wir:
Der Tag, der unser Weltbild so drastisch veränderte, war der 18. Oktober 2006, an dem wir im Stift Vorau … vorsprachen, um an weitere Informationen zu gelangen. …. Ein glücklicher Zufall, der aus einer Fotokopie eines alten Planes von einem unterirdischen Gangnetz bestand, den uns Herr Ferdinand Reiß übergab und dessen Original heute in der Stiftsbibliothek verwahrt wird, brachte uns auf die richtige Spur. … Diese Forschungen führten uns letztendlich in eine Welt, die es eigentlich gar nicht geben dürfte, die aber dennoch – wenn auch nicht für jedermann sofort sichtbar – existiert.[3]
Und weiter:
Als ein Landwirt um 1976 auf seinem Gehöft von einem alten Haus den Dachstuhl entfernte, fand er zwischen dem Gebälk des Daches und dem Mauerwerk eine alte Kanonenkugel (ein Hohlbodengeschoß) aus Metall. Dies wäre an und für sich nichts Besonderes gewesen, wenn die Geschoßspitze nicht mit einem Hohlraum versehen gewesen wäre! In dieser Bohrung befand sich zusammengerollt ein kleines Stück Papier, das mit einer seltsamen Zeichnung versehen war. … Es war die Kopie eines alten Planes, der einen Teil der vom Stift wegführenden unterirdischen Gänge zeigte. … Allerdings stammt diese Kopie aus der Neuzeit, wahrscheinlich aus dem 16. oder 17. Jahrhundert ….[4]
Eine alte Kanonenkugel, in der eine Kopie eines noch älteren Planes aus dem 15. Jahrhundert steckte, führte zu Entdeckungen, wie sie noch nie zuvor in der Steiermark gemacht wurden. Die auf dem Plan eingezeichneten Informationen erschlossen den Autoren eine in Vergessenheit geratene Welt, die es eigentlich nicht geben dürfte, … [5]
Kusch fügt zwar an, dass fast zwei Jahrzehnte an der Echtheit des Planes gezweifelt wurde, weil ihm noch später geschriebene Worte hinzugefügt worden waren, doch lässt er diesen Aspekt in der weiteren Folge unberücksichtigt. Schon in der Einleitung spricht Kusch von diesem vergilbten Plan, der vielleicht vor Jahrhunderten versteckt wurde, in Zeiten, wo der Kriegslärm nicht verstummen mochte, als immer wieder Türken und Kuruzzen einfielen und Landsknechte durch die Steiermark marschierten.[6]
Dieser „alte Plan“ ist im Buch großformatig wiedergegeben. Legt man diese Abbildung paläographisch kundigen Historikern vor, so erschließt sich diesen an der Charakteristik und dem Gepräge, dass dieser Plan aus dem 20. Jahrhunderts stammt und die eingezeichneten Linien nicht seriös als unterirdische Gänge interpretiert werde können.[7]
Kommentar:
Die von Kusch gemachten Angaben zum „alten“ Plan stimmen mit einer fachlichen Beurteilung durch Spezialisten nicht überein. Es handelt sich um eine Skizze aus dem 20. Jahrhundert. Ein unterirdisches Gangnetz ist darauf nicht eingezeichnet.
Die „alte Kanonenkugel“
Eine alte Kanonenkugel, in der eine Kopie eines noch älteren Planes aus dem 15. Jahrhundert steckte, …[8] (weitere Zitate siehe oben)
Frau Mag. Ute Streitt, die Leiterin der Wehrkunde-Sammlung des Oberösterreichischen Landesmuseums, kam gemeinsam mit dem Spezialisten Reinholf Reisinger bei der „alten Kanonenkugel“ zu einer deutlich abweichenden Erklärung:
Es scheint eine Post-Granate gewesen zu sein. Im 1. Weltkrieg hat man solche Granaten mit verschiedenen Mitteilungen bestückt und über die Köpfe der Feinde hinweg verschickt.[9]
Diese Expertise stimmt mit der Beurteilung des „alten Planes“ überein (siehe oben).
Kommentar:
Das Geschoß ist mit Sicherheit keine „alte Kanonenkugel“, sondern mit großer Wahrscheinlichkeit eine Post-Granate aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Lichterscheinungen
Auf der Esoterik-Ebene befindet sich das Forscherpaar Kusch im Abschnitt über die „Lichterscheinungen“, die während der Nacht, am Abend und in der Dämmerung in der Nähe von Lochsteinen herumgeistern sollen:
Es handelt sich um helle, manchmal bläulich erscheinende Lichter, die aufblitzen und wieder verschwinden.[10] Die Lichterscheinungen … kommen meist direkt aus Wald- oder Felsböden! Die hellen Leuchtpunkte sollen sich schnell bewegen, sie steigen senkrecht auf oder fliegen waagrecht dahin.[11]
Es gibt auch noch eine weitere Art von Lichterscheinungen, die allerdings nicht oder nur in Einzelfällen mit dem freien Auge wahrgenommen werden können, sondern erst durch die Digitalfotografie bekannt geworden sind. Sie … sind kreis- oder kugelförmige Lichtpunkte auf digitalen Fotos und werden heute als „Orbs“ (engl. Orb = Kugel) bezeichnet.[12]
Es scheint sich hierbei um Energieformen zu handeln, die mit sehr hohen Geschwindigkeiten aus dem Gesteinskörper oder der Erdoberfläche austreten … Interessant ist dennoch die Tatsache, dass diese Phänomene vorwiegend im Umfeld bei Lochsteinen und Menhiren oder an Stellen, wo einst solche gestanden sind, aber auch an der Oberfläche über Hohlräumen und in den unterirdischen Gängen auftreten können.[13]
Kusch berichtet auch, dass jemand, der so einem hellen Licht zu nahe kam, von unbekannter Gewalt zur Seite geworfen wurde.[14] Es sollte den energetischen Anomalien dieser Orte genauer auf den Grund gegangen werden.[15]
Ein Kommentar erübrigt sich, die Zitate sprechen für sich.
Angebliche Verbindung von Lochstein und Erdstall
Laut Kusch stehen die Lochsteine genau über den unterirdischen Gängen. Seiner Meinung nach gehören die Lochsteine in den Zeitraum der europäischen Megalithkulturen (ca. 3.500 bis 6.500 Jahre vor Heute), also in die Epoche des Jungneolithikums (= Jüngere Jungsteinzeit) oder der Frühbronzezeit.[16] Und weil es diesen unmittelbaren Zusammenhang zwischen den Lochsteinen und den unterirdischen Gängen gebe, so sollen auch die Gänge so alt sein.
Wenn sich nämlich ein Eingang zu einem unterirdischen Gang beim Haus befand, so wurde dieser in der Vergangenheit durch den Lochstein gekennzeichnet bzw. für den Eingeweihten ersichtlich gemacht. … Bemerkenswert ist, dass jene Steine, die sich offensichtlich noch auf ihrem Originalstandplatz („in situ“) an der Erdoberfläche befinden, genau über den unterhalb verlaufenden, oberflächennahen (!) Gängen und Verteilerkammern stehen und die Bohrung bzw. das Bohrloch den weiteren Verlauf des unterirdischen Ganges an der Oberfläche anzeigt…. Es besteht die Möglichkeit, dass es sich bei diesen Steinen um Wegweiser bzw. Informationsträger handelt, die einst den Verlauf des oberflächennahen, unterirdischen Netzes an der Erdoberfläche … gekennzeichnet haben. bzw. heute noch dokumentieren.
Der pragmatische Sinn eines solch gewaltigen Netzwerkes, welches einst aus vielen hunderten oder vielleicht auch tausenden teils tonnenschweren Steinen bestand und kilometerweit über die Erdoberfläche ausgebreitet war, würde darin bestehen, dass Eingeweihte die Eingänge zu den unterirdischen Systemen leicht und relativ schnell an der Oberfläche auffinden konnten. Sie mussten ja nur dem Verlauf der Menhirreihen oder den vorgegebenen Lochbohrungen der aufgestellten Steine folgen, um, egal in welche Richtung, auf eine Eingangsöffnung zu stoßen.[17]
Hunderte Steinmonumente prähistorischer Kulturen stehen im direkten Zusammenhang mit diesen verborgenen Welten.[18]
Noch heute befinden sich im Raum um Vorau an vielen Stellen an der Erdoberfläche, genau über den lokalisierten Gängen und Kammern, bis zu 4 m hohe Menhire.[19]
Nun ist das Vorhandensein von unterirdischen Gängen unterhalb von Lochsteinen zwar unsere Erkenntnis, auf die wir zu Beginn des Jahres 2007 durch unsere Nachforschungen und Vermessungen stießen, …[20] Wenn es Vermessungspläne gibt, die belegen könnten, dass Lochsteine genau über den unterirdischen Gängen stehen und die Bohrung den Gangverlauf anzeigt, warum legt Kusch diese nicht vor?
Als „Beleg“ führt Kusch an: … wo man beim Bau einer Wasserleitung seitlich einer Straße in der Nähe der Erzherzog-Johann-Höhe in der Gemeinde Puchegg auf einen unterirdischen Gang stieß, der genau auf einen etwa 10 m entfernten Lochstein zu und unter ihm hindurch verlaufend angelegt war. Die Bohrung im Stein zeigte den genauen Gangverlauf an.[21] Kusch war nicht in diesem unterirdischen Gang und auch nicht auf der Baustelle, der Gang wurde wieder zugeschüttet, es gibt keinen Vermessungsplan, der die Angaben nachvollziehbar machen würde, sondern es hat ihm lediglich der Grundbesitzer davon berichtet.[22]
Kusch gesteht den Lochsteinen bestenfalls eine sekundär-pragmatische Nutzung als Gattersteine vom 17. – 20. Jahrhundert zu.[23] Dabei kommen sie in den „Weistümern“ (spätmittelalterlich-frühneuzeitliche Quellen zur dörflichen Rechtssprechung) bereits als Gemarkungssteine vor.[24] Es soll jedes alte Gehöft einst mehrere Lochsteine auf dem Anwesen gehabt haben.[25] Folgt man dem Verständnis von Kusch, so wären also schon vor der mittelalterlichen Besiedlung zahlreiche Lochsteine in den Urwäldern herumgestanden. Sie sollen über starken Erdstrahlfeldern stehen und die Löcher sollen den Verlauf von „geomantischen Linien“ anzeigen.[26]
Kommentar:
Gattersteine (Lochsteine) lassen sich in Österreich seit dem Mittelalter belegen. Eine ältere Zuordnung ist nicht nachgewiesen.[27]
Einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Lochsteinen und Erdställen gibt es nicht.
Zeitstellung
Bereits im Titel des Buches „Tore zur Unterwelt, Das Geheimnis der unterirdischen Gänge aus uralter Zeit“ spielt Kusch auf eine Zeitstellung an, die jeder seriösen Forschung widerspricht.
Hunderte Steinmonumente prähistorischer Kulturen stehen im direkten Zusammenhang mit diesen verborgenen Welten. … Die ältesten Belege für die Existenz dieser Gänge stammen jedoch aus dem Neolithikum (Jungsteinzeit), allerdings dürfte der Großteil dieser Anlagen mit großer Wahrscheinlichkeit noch wesentlich älter sein.[28]
Der Steingang ist in der typischen Megalitharchitektur, wie sie bei prähistorischen Steinbauten in Westeuropa vorkommt, … gefertigt.[29]
Wieder gehen wir durch einen gemauerten Gang. Wieder sehen wir über uns die hunderte Kilogramm schweren großen Decksteinplatten aus prähistorischer Zeit. Nach 5 Metern sind wir im Felsgang. Diese vorgelagerten Trockenmauereingänge wurden offenbar im Neolithikum oder der Bronzezeit gebaut, um die damals bereits verwitterten Eingänge des alten Gangsystems zu ersetzen und die Zugänge offen zu halten.[30]
Die in der Region gefundenen Steinbeile lassen laut Kusch den Schluss zu, dass diese vielleicht jenen Leuten gehörten, die für den teilweisen Aus- und Umbau der Gänge verantwortlich waren oder die bereits schon vorher vorhandenen Anlagen für ihre Zwecke profan oder möglicherweise auch kultisch genutzt haben.[31]
Laut Kusch haben diese Steinbeile nichts mit dem Bau der unterirdischen Gänge zu tun, weil sie für die Steinbearbeitung nicht geeignet sind.[32] Kusch meint also, der Steinzeitmensch kann diese Gänge mit dem ihm zur Verfügung stehenden Werkzeug nicht gegraben haben, er könnte sie aber sehr wohl weiter ausgebaut und umgebaut haben. Die unterirdischen Gänge wären demnach vor dem Steinzeitmenschen entstanden!?
Im Buch auf Seite 16f geht Kusch auf die Erdställe ein. Wir lesen davon, dass die zeitliche Zuordnung der Erdställe vom Neolithikum (Jungsteinzeit) über die Bronze- und Römerzeit bis ins Mittelalter und die Neuzeit reicht. Das ist nur insofern richtig, als die zeitliche Zuordnung der Erdställe in die prähistorische oder römische Zeit in jenen Werken zu finden ist, die zwischen 1848 und 1923 erschienen sind.[33] Mittlerweile ist die zeitliche Zuordnung der Erdställe ins Mittelalter an Hand von C14-Datierungen und archäologischen Grabungsbefunden klar belegt. [34]
Kusch sieht einen direkten Zusammenhang zwischen dem Erdstallphänomen und den unterirdischen Gängen in der Oststeiermark. Aber für ihn ist die Zeit, in der die Erdställe errichtet wurden, nicht geklärt.[35]
Kommentar:
In der Erdstall-Literatur von 1848–1923 findet sich die Vermutung, die Erdställe seien „uralt“. Mittlerweile ist aber die zeitliche Zuordnung der Erdställe ins Mittelalter belegt. Kusch ignoriert hier die Ergebnisse der Erdstallforschung in Österreich, Bayern und Frankreich.
Die Frage nach dem wahren Kern einer Sage
Zu den Erdställen sind unterschiedliche Sagen bekannt. Allgemein geläufig sind Sagen über unendlich lange unterirdische Gängen, die von A nach B führen sollen. Dies ist ein weit verbreiteter Sagentyp, der oft im Bereich alter Burgen, Klöster oder Kirchen anzutreffen ist. Diese Sagen können auf die Existenz von Erdställen hindeuten, die unglaublichen Ganglängen sind aber reine Phantasie und auf die Angst vor dem Betreten zurückzuführen. Bis heute hat sich nirgendwo in Mitteleuropa eine entsprechende Sage bestätigt.
Der Sage nach soll ein Gang hinab zum Safenbache, ein anderer zur nahen, kaum 50 Schritte entfernten Filialkirche St. Stefan geführt haben. … Die beiden Gänge, die zur Stefanskirche und zum Safenbach führen sollen, dürfte es tatsächlich gegeben haben.[36]
Es gibt für den ost- und nordoststeirischen Raum aber auch weit über 50 Erzählungen, die sich direkt mit langen unterirdischen Gängen und Räumen auseinandersetzen und die zum Teil, wenn auch etwas verklärt, mit großer Wahrscheinlichkeit auf tatsächlichen Gegebenheiten beruhen können. In diesen Geschichten wird in einigen Fällen von sehr langen dunklen Gängen berichtet, die oft Kirchen, Burgen, Schlösser und Bauernhöfe miteinander verbunden haben, …[37]
Nun haben auch wir, als wir diese Sagen und Hausgeschichten erstmals von den Einheimischen gehört und in den Sammelbänden gelesen haben, diese einfach nicht ernst genommen und als Fantasie oder Wunschgedanken mancher Leute abgetan – allerdings nur bis zu jenem Zeitpunkt, an dem wir vor Ort nach den Gängen zu suchen begannen.[38]
In einem eigenen Absatz versucht er den Wahrheitsgehalt von Sagen herauszustreichen:
Wenn man bedenkt, dass uns von der Jungsteinzeit (vor 5.000 Jahren) eigentlich nur 150 bis 250 Generationen trennen, so könnte einiges… überliefert worden … sein. Bei einem mündlichen Bericht verändert sich der Kern des Inhalts in einem solchen Zeitraum nur geringfügig … So sind mündliche Geschichten, die aus den letzten 500 Jahren stammen, mit ziemlicher Sicherheit in der Kernaussage fast unverfälscht erhalten geblieben, da nur 15 bis 25 Generationen oder weniger zwischen dem tatsächlichen Ereignis und heute liegen.[39]
Diese Aussage hält allerdings dem Praxistest nicht stand, denn schon auf der nächsten Seite zitiert Kusch eine 1890 niedergeschriebene Sage, die von einer Höhle beim Großheider berichtete, heute kennt niemand mehr diese Höhle – die Überlieferung ist abgerissen![40]
Auf Seite 46 erzählt Kusch die Sage von den großen Schätzen in einem gewölbten Raum unter der Frauensäule vor dem Vorauer Stiftstor. Der Zugang dazu soll durch einen unterirdischen Gang, der den Stiftshof durchquert, möglich gewesen sein. Den Schatz dürfte es mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mehr geben … Sehr wohl existieren aber die gewölbte Kammer unter der Frauensäule und die Gänge unter dem Stift. Sie verlaufen dort in 12 bis 70 m Tiefe im Schiefer und Amphibolithgestein.[41]
Kommentar:
Kusch nimmt jenen Teil der Sage, der von den unterirdischen Gängen und Kammern erzählt, für bare Münze. Das unterirdische Gangsystem unter dem Stift Vorau wurde lediglich „gemutet“, es existiert aber in der Realität nicht.
Nach Ansicht von Kusch, sind viele Gänge und Kammern, darunter auch die unter der Frauensäule, mit wässrigem Schlamm verfüllt. Deshalb konnte bei den Bohrungen im Juli 2008 kein durchschlagender Erfolg erzielt werden.[42]
„Kilometerlange Gänge“
Kusch spricht in seinen Vorträgen und in Publikationen von kilometerlangen unterirdischen Gängen, nicht nur im Raum Vorau, sondern auch rund um die Riegersburg. Weder vom Stift Vorau noch von der Riegersburg existieren tatsächlich dokumentierte längere unterirdische Gänge. Es gibt sie nur in den „Mutungen“ von Kusch.[43]
Die einzelnen Erdstallanlagen weisen unterschiedliche Längen auf, die von wenigen Metern bis mehrere hundert Meter reichen können. Vereinzelt gibt es in Europa unterirdische Anlagen, die auch 2 bis 3 km lang sind.[44]
Kommentar:
In der Fachliteratur ist kein einziger Erdstall dokumentiert, der mehrere hundert Meter lang ist (geschweige denn kilometerlang). Einzig die Anlage unter dem Burghügel von Althöflein (Weinviertel, Niederösterreich) wird als 270 m langes unterirdisches Erdstallsystem bezeichnet,[45] es handelt sich hierbei um mehrere einzelne Erdställe bzw. alte Keller, die nun durch neuzeitliche Keller miteinander verbunden sind.
Die unterirdischen Gänge unter dem Stift Vorau sollen 10 bis 15 km lang sein.[46]
Wie wir uns bei der Exkursion im Rahmen der Erdstalltagung am 17. 9. 2011 persönlich überzeugen konnten, ist beim unterirdischen Gang beim Lehenbauer keine Fortsetzung erkennbar, aber Kusch glaubt trotzdem, dass ein Gang zu den tiefer gelegenen, vermutlich noch offenen Gängen und Kammern der Anlagen unterhalb der Leoburg führen könnte.[47] Die Entfernung zur sogenannten Leoburg beträgt ungefähr einen Kilometer.[48]
Zur Frage der Altersbestimmung von dieser doch recht umfangreichen, kilometerlangen und außergewöhnlich großen Anlage gibt es bisher nur wenig Anhaltspunkte.[49]
Eines der vielen Zentren der langen, unterirdischen Gänge scheint unterhalb des Stiftes Vorau … zu liegen. … So sollen laut Aussage einer Frau im Zweiten Weltkrieg Wertgegenstände in einem unterirdischen Gang vom Stift aus bis auf den Masenberg gebracht worden sein.[50] Auch die sogenannte Leoburg liegt einige Kilometer weit vom Stift entfernt und Täler und tiefe Einschnitte gibt es dazwischen.[51]
Von der Kirche [Heilig Kreuzkirche in Vorau] führen, wie auch in anderen Bereichen von Vorau, Gänge in verschiedene Richtungen, die sich zum Teil weit in die Umgebung, über Berge hinweg und unter Tälern verlaufend, über eine große Anzahl von Ortschaften und Nachbargemeinden hin erstrecken.[52]
Ein Schacht reicht in eine Tiefe von 430 m, mehrere Gänge führen davon weg.[53]
Kusch legt im Buch auf Seite 75 eine Grafik vor, die ein umfangreiches unterirdisches Gangsystem unter dem Stift Vorau zeigt. Die Beschriftung spricht von einem teilbelegten Gangnetz unter dem Stiftskomplex, wobei nicht erkenntlich ist, welche Teile davon nun belegt sind.
Eine wichtige Grundregel wissenschaftlichen Arbeitens ist die Nachvollziehbarkeit. Die angeblich belegten Gangabschnitte sind nicht gekennzeichnet. Auch erfährt man nichts darüber, mit welcher Methode diese unterirdischen Gänge „teilbelegt“ werden konnten. Von seinen Vorträgen bei den jährlichen Erdstalltagungen wissen wir, das Kusch den Großteil der Gänge „mutet“. Soweit sich den Publikationen entnehmen lässt, wurde nur beim Versuch, die Krypta unter dem Stift ausfindig zu machen, ein Bodenradar eingesetzt.
Die Grafik zeigt ein üppiges Gangnetz mit tiefen Schächten, auf mehreren Etagen verteilte Gänge, angereichert mit ein paar kleinen Kammern. Auffällig sind einige Gangabschnitte, die lose im Untergrund schweben und keine Verbindung zum großen System oder zur Oberfläche haben.
Charakteristisch für Erdställe sind winkelige Gänge, die Grafik zeigt aber überwiegend geradlinige Gangverläufe. Die Lücke, die zwischen den belegten unterirdischen Anlagen mit einer Gesamtlänge von ca. 300 m [54] und den behaupteten Stollen mit einer Länge von 10 bis 15 Kilometern klafft, ist doch beträchtlich.
Wir gingen den Hinweisen der alten Leute im Raum Riegersburg nach und haben versucht, Nachweise für die Existenz der Gänge zu suchen. … Weitere Informationen besagen, das von der Riegersburg noch Gänge zum Schloss Kornberg, Schloss Kapfenstein, Schloss Johnsdorf, zum Waltrafelsen, zum Hartbergschlössl, nach Gleichenberg, zum Feldbacher Tabor, zum Stenitzer Schlössl, dem Schloss Bertholdstein (die heutige Abtei St. Gabriel) und auch zu einigen Bauernhöfen gehen sollen. Sollten diese Angaben und Informationen stimmen, so würde allein hier rund um die Riegersburg ein Gangnetz von weit über 100 km Länge existieren … Die Gänge und Kammern sind durch Kontrollmessungen zu finden, müssten aber erst durch Sondierungsbohrungen nachgewiesen werden. … Allein rund um die Riegersburg sind 73 Gänge und Kammern von uns an der Basis des Burgfelsens in unterschiedlicher Tiefe eingemessen worden. Diese Anzahl der Gänge halbiert sich allerdings, weil nicht alle von der Riegersburg wegführen, sondern nur unterhalb durchführen. Direkt zur Burg verlaufen nur einige wenige Gänge, wie beispielsweise jener, der zum alten Pfarrhof am Rande des Ortes Riegersburg unterhalb der heutigen Talstation des Liftes führt.[55]
Kusch versucht zu erklären, warum die behaupteten kilometerlangen unterirdischen Gänge nicht gefunden werden konnten: Das Problem ist die Auffindung der richtigen Eingänge, denn viele sind heute meist durch die Oberflächenerosion oder durch Bauarbeiten verschlossen. Zahlreiche einst offene Zugänge wurden – aus welchen Gründen auch immer – absichtlich vom Menschen selbst, wahrscheinlich im 16. oder 17. Jahrhundert, mit an einigen Orten bis zu 15 m starken Verfüllungen versehen …[56]
Kommentar:
Die von Kusch gemuteten kilometerlangen unterirdischen Gänge unter dem Stift Vorau oder bei der Riegersburg existieren nicht. Und somit gibt es auch unter dem Stift Vorau kein kilometerlanges unterirdisches verbundenes Gangsystem.
Verbindung mit Gebäuden
Ausschnitt aus der Fernsehsendung „Winterzeit“: Von einem Keller eines Hofes aus wird ein unterirdischer Gang betreten. Reporterin: „Das ist ja spannend, da ist in einem Keller von einem Gehöft einfach ein Einstiegsloch.“ Kusch: „Ja, also wir haben in sehr vielen Kellerräumen hier im Bereich Vorau einfach Zugänge zu unterirdischen Anlagen, weil die Häuser später auf diese Anlagen draufgestellt wurden, also darübergebaut.“[57]
Ein Großteil der heutigen bei den Gehöften befindlichen Keller stammt sicher aus dem Mittelalter und der Neuzeit; jene, die Zugänge zu unterirdischen Gängen haben, sind auf jeden Fall älter.[58]
Über diese Anlagen wurden in den vorangegangenen Jahrhunderten nach ihrer Wiederentdeckung manchmal Kirchen und Schlösser, aber oft auch Häuser gebaut oder die Erdställe wurden in die Kelleranlagen eingebunden.[59]
Kommentar:
Es ist bekannt, dass der Großteil der Erdställe in direktem Zusammenhang mit einem Gebäude steht. Natürlich wurden bei Zu- und Umbauten auch später noch Erdställe überbaut und durch Keller angeschnitten. Dass die Erdställe vor den mittelalterlichen Gebäuden existierten, ist nicht belegt und lässt sich nicht nachweisen.
Kusch spricht von 3.500 bis 6.500 Jahre alten Gängen
In der Fernsehsendung „Winterzeit“ wurde folgende Passage eingespielt:
Interview in einem gemauerten unterirdischen Gang, Reporterin: „Ich sehe, das ist gemauert. Wie alt ist die Anlage?“ Kusch: „Dieser Teil der Anlage ist zwischen 3.500 und 6.500 Jahre alt, wir haben hier also große, wirklich große Steinplatten, diese Platte über uns wiegt fast genau eine Tonne, also 970 Kilo. Das ganze liegt hier auf einem Tragstein auf. Diese Tragsteine wurden im Neolithikum verwendet. Also die Bauweise, die wir hier haben, ist neolithisch.“ Reporterin: „Also jungsteinzeitlich?“ Kusch: „Ja!“[60]
Kommentar:
Es sind mehrere gemauerte Stollen und Wassergänge aus dem 18. und 19. Jahrhundert bekannt, deren große Decksteine ebenfalls auf Tragsteinen ruhen. Es ist dies eine Bautechnik, die bis in die allerjüngste Zeit herein verwendet wurde, und sie ist kein Beweis für eine jungsteinzeitliche Zuordnung. Dass der gezeigte Gang „neolithisch“ ist, ist auszuschließen.
Dann steigen die beiden in den sogenannten Streblgang ein. Sprecherin: „Jetzt besuchen wir eine ganz besondere Anlage, Dr. Kusch nimmt an, dass sie vor tausenden von Jahren maschinell hergestellt wurde.“ Reporterin im Interview: „Der Gang ist ja ein wahres Rätsel!?“ Kusch: „Ja, also wir haben mehrere solche Gänge, die so gefertigt sind, wie dieser Gang. Und wir sehen an der Wand eigentlich Schrämmspuren. Spuren, die es zu dieser Zeit, wo der Gang entstanden ist, eigentlich nicht geben dürfte, denn sie sind maschineller Art.“ Reporterin: „Was heißt das genau, und was wirft das für Spekulationen auf? Wer hat die Gänge gemacht?“
Kusch: „Ja, das wissen wir nicht, also es muss ein Zeitraum gewesen sein, wo man auch technisch bereits vielleicht, ich muss das Wort vielleicht betonen, vielleicht in der Lage war, auch maschinelle Arbeiten durchzuführen.“[61]
Kommentar:
Wir haben diesen Gang bei der Erdstalltagung im September 2011 besucht. Bei der Anlage handelt es sich um einen neuzeitlichen, ca. 300 Jahre alten Wassergang. Den Arbeitsspuren, dem Gepräge und dem Verlauf der Gänge nach zu schließen, könnte er unter Umständen auch im Spätmittelalter errichtet worden sein. Die Schrämmspuren passen sowohl in die Neuzeit, als auch für das Mittelalter. Jahrtausendealt ist er nicht, jedenfalls gibt es keinerlei Beweise dafür. Der Streblgang ist jener Gang, der auf dem Cover des Buches und der DVD abgebildet ist.
Beurteilung der „megalithischen“ Gänge
Laut Heinrich Kusch sind die Lochsteine „megalithisch“ und stehen mit den unterirdischen Gängen in Verbindung. Folglich seien auch die unterirdischen Anlagen „megalithisch“.[62] Bei der Erdstallexkursion im Raum Vorau im September 2011 besuchten die Teilnehmer einige dieser unterirdischen Gänge. Folgende Eindrücke und Erkenntnisse konnten dabei gewonnen werden:
Lehenbauer, Familie Kraußler, Puchegg am Masenberg: Einen Teil der „megalithischen“ Mauerung errichtete das Kusch-Team,[63] die Anlage ist also stark verändert, erstaunlich ist der große Schlupf und der anschließende hohe Abfall hinunter zu den Stufen. Der Gang ist ungewöhnlich breit und hoch. Keine Fortsetzung erkennbar.
Zeitstellung: Hochmittelalter
Gangfragment Schrotter, beim Feldbauern in Riegersbach: Teilweise sehr breite und hohe Gänge. Trockenmauer am Schluss. Die Richtung der Hauspuren sind von der Trockenmauer in Richtung Keller, folglich ist es sehr wahrscheinlich, dass sich hinter der Trockenmauer ein Bauhilfsschacht befindet. Ein Schlupf fehlt. Es bestehen massive Zweifel, ob das als Erdstall anzusprechen ist, die Anlage gleicht eher einem bergmännischen Prospektionsstollen.
Zeitstellung: sehr wahrscheinlich Neuzeit, maximal Hochmittealter.
Meidlbauer (nahe dem Mostheurigen, der Eingang durch die Grube hinunter, gemauerter Eingang, Leiter, am Boden Wasser)
Zweck: eindeutig ein Wassergang. Meiner Erfahrung nach stammt er maximal aus dem Spätmittelalter, mit hoher Wahrscheinlichkeit aber aus der Neuzeit, soweit sich das aus der Mauertechnik, Bautechnik und dem Gesamtbefund erschließen lässt. In diesem Gang grub das Kuschteam im Glauben an eine Fortsetzung nach unten. Kusch manipuliert oder beschädigt hier bewusst ein Bodendenkmal, zu denen auch die Wassergänge gehören.
Streblgang
Zweck: Wassergang, auch ein Prospektionsstollen kommt in Frage
Zeitstellung: neuzeitlich, eventuell auch aus dem (Spät-)Mittelalter.
Frauenhöhle in St. Stefan, Gemeinde Hofkirchen: neben der Kirche, vom Keller aus zugänglich: nette kleine Anlage, ungewöhnlich breiter Gang, schöner Kriechgang (der nordwestliche Seitengang wäre sehr spannend freizulegen), der Schlupf fehlt (noch?).
Zweck: Erdstall (?)
Zeitstellung: Hochmittelalter.
Frauenhöhle in Hinterbüchl (Kaindorf) im Wald:
Zweck: unterirdischer Sandabbau – solche Anlagen gibt es eine ganze Reihe. Man arbeitete gerne kammer- und bogenförmig den Sand ab, weil die Arbeitsbedingungen sofort besser wurden, wenn ein Rundgang wieder geschlossen werden konnte (Luftzirkulation, Transportmöglichkeit), besonders im Hinblick auf den weiteren Vortrieb.
Zeitstellung: Neuzeit.
Vockenberg bei Stubenberg (beim verlassenen Bauernhof oben im Wald, Einstieg durch das schwarze Absperrgitter, Leiter): hoher breiter Gang, der Schlupf ist genau genommen ein Kriechgang.
Zweck: Erdstall?
Zeitstellung: eventuell Hoch-/Spätmittelalter, eher Neuzeit.
Bei den besuchten Anlagen handelt es sich zum Großteil nicht um Erdställe, die unterirdischen Objekte stammen aus der Neuzeit, eine Zuordnung ins Mittelalter ist in Einzelfällen möglich. Für ein noch höheres Alter gibt es keinerlei Hinweise und Belege.
Prähistorische Silexklinge oder neuzeitlicher Flintstein
Auf Seite 57f seines Buches legt Kusch das Bild und die Beschreibung eines Silex vor, der aus dem unterirdischen Gang von Johann Kandlhofer in der Gemeinde Puchegg stammt. Der Silex gehört zu einem Fundkomplex, der vom Mittelalter bis in die Neuzeit reicht. Kusch jedoch schreibt: Das älteste Fundstück aus diesem wahrscheinlich im Neolithikum erweiterten Erdstallgang war ein 3,7 cm langes und 2,5 cm breites Bruchstück einer schön bearbeiteten Silexklinge aus der prähistorischen Zeit.
Der Mittelalterspezialist und Archäologe der Akademie der Wissenschaften Thomas Kühtreiber wies als Erster darauf hin, dass es sich bei diesem Objekt um einen neuzeitlichen Flintstein handelt.[64]
Befasst man sich mit der einschlägigen Fachliteratur[65] oder legt das Bild einem erfahrenen Archäologen vor,[66] so festigt sich die Ansicht, dass es sich bei dem Objekt um einen neuzeitlichen Flintstein (Feuerstein) für ein Steinschlossgewehr handelt.
Selbst am Bild lässt sich die Abnutzungsspur des Flintsteins erkennen. Auch unter Berücksichtigung des gesamten übrigen mittelalterlich/neuzeitlichen Fundkomplexes ist diese Zuordnung schlüssig.
Das Zeughaus in Graz beheimatet die größte Rüstungs- und Waffensammlung des 17. Jahrhunderts. Der auf solche Themen spezialisierte Historiker dieses Hauses, Herr Leopold Toifl, schrieb zur dieser Streitfrage: Dem von Ihnen mitgeschickten Foto nach handelt es sich angesichts der Größe und Form des Steines mit ziemlicher Sicherheit um einen so genannten „Flintstein“. Gemeint ist damit in der Umgangssprache ein Feuerstein, wie er in den Hahn eines Steinschlossgewehres eingespannt war.
Steinschlossgewehre kamen ab der Mitte des 17. Jahrhunderts in Gebrauch und blieben bis in das frühe 19. Jahrhundert vorherrschend. Doch auch schon zuvor wurden Flintsteine zum Beispiel in Standfeuerzeugen verwendet.[67]
Das Mühlviertler Schlossmuseum Freistadt verwahrt einen ganzen Eimer voller neuzeitlicher Flintsteine. Diese hunderte Flintsteine in dem kleinen Fässchen waren offensichtlich Handelsware. Auffällig ist die Größe von 3,7 cm, die diesen Flintsteinen eigen ist und die exakt mit dem von Kusch abgebildeten Feuerstein übereinstimmen. Legt man eine Kopie des Fotos aus dem Kusch-Buch zu den Freistädter Flintsteinen, so ist die frappierende Übereinstimmung augenfällig.[68a]
Der Mechanismus am Steinschlossgewehr war so gebaut, dass eine gespannte Feder den Flintstein gegen den gehärteten Stahl des Batteriedeckels schleuderte, sodass die entstehenden Funken auf die Zündpfanne schlugen. In der Zündpfanne wurde das leicht brennbare Zündkraut entflammt. Die Flammen züngelten durch das Zündloch des Laufes ins Laufinnere und entzündeten dort das Pulver. Der dadurch entstehende Gasdruck schleuderte dann die Kugel aus dem Lauf.[68b]
Beim Einspannen in den Hahn musste die Maulschraube so fest als möglich angezogen werden, um ein Zerspringen des Flintsteines zu vermeiden wurde er in Leder eingefüttert (seltener in Blei). Ein guter Feuerstein musste wenigstens 50 Schüsse aushalten, ohne unbrauchbar zu werden. Die Feuersteine bewahrte man an kühlen Orten auf, weil sie sonst sehr spröde wurden.
Bis zum Aufkommen der Streichhölzer waren Feuerstein und Schlageisen (mit hohem Kohlenstoffanteil) die gängigen Mittel zum Feuermachen. Jeder Haushalt besaß sie.
Mit dem bügelförmig gebogenen Schlageisen schlug man kräftig und schnell gegen die scharfe Kante eines Feuersteins, dadurch lösten sich vom Stahl kleine glühende Späne, die den darunter bereitgelegten Zunder entzündeten.
Deshalb war der Bedarf an Flintsteinen groß. Je nach Verwendungszweck lieferten die Flintsteinfertiger eine große Bandbreite an verschiedener Flintsteingrößen, Formen und Farben, die man noch Ende des 18. Jahrhunderts per Katalog aussuchen und bestellen konnte. So kaufte man u. a. große Feuersteine, gewöhnliche (ordinäre) Feuersteine, Musketen-Steine, Flinten-Steine, Jagdflinten-Steine und Reuter-Pistolensteine, ordinäre Pistolensteine, kleine Pistolensteine, Terzerol-Steine, Sack-Pistolensteine oder kleinere Sackpistolensteine entweder stückweise, hundertweise oder tausendweise.[68c]
Doch Kusch hält an der prähistorischen Silexklinge fest,[69] dient sie ihm doch als Beleg für die Datierung der unterirdischen Anlagen in die Steinzeit.
Kommentar:
Das von Kusch als „prähistorische Silexklinge“ präsentierte Objekt ist höchstwahrscheinlich ein neuzeitlicher Flintstein.
Bohrungen
Auf einer großen Wiese bei Vorau zeichnet sich im Winter ein schneefreier Fleck ab, die Mutung mit der Rute hat große unterirdische Räume und Gänge ergeben. Es wurden zwei Bohrungen abgetieft, die aber nichts ergeben haben.[70]
Es bestehen massive Zweifel, ob bei irgend einer Bohrung jemals ein unterirdischer Gang als Hohlraum angefahren wurde. Kusch berichtet zwar z. B. von der Sondierbohrung am 27. November 2009 auf der Kring bei Vorau und gesteht zu, dass die erste Bohrung kein Resultat lieferte, die zweite Bohrung dann aber gleich drei Hohlräume aufschloss. Als Beleg führt er drei Spinnen an, die die Druckluft aus einem der Hohlräume hoch befördert haben soll. Sie dürften aus einem Deckenteil des angebohrten Raumes stammen, der allerdings mit sehr feuchtem Schwemmsand fast bis zur Decke verfüllt war.[71]
Von der Bohrung am 28. Juli 2008 bei der Mariensäule vor dem Stift Vorau legt Kusch ein großformatiges Foto vor, aber keine Dokumentation. Und er berichtet dazu: Mit dieser groß angelegten Erkundungsbohrung sollten mögliche Hohlräume mittels einer Kameraaufzeichnung dokumentiert werden, das Ergebnis war aber alles andere als befriedigend, denn die Hohlräume konnten zwar in der vorher festgelegten Tiefe von 8,7 m und 12,8 m angebohrt werden, waren aber bis zur Decke mit verfestigtem feuchten Schlamm verfüllt.[72]
Ein geologisches Gutachten zum Untersuchungsergebnis der Bohrkerne sucht man ebenso vergeblich wie eine Gesteinsanalyse. Es braucht einen ausgezeichneten Spezialisten, der feststellt, ob es sich um anstehendes Material handelt, oder um eingeschwemmtes. Ohne genaue Begutachtung eines Geologen bleibt es eine reine Behauptung von Kusch, dass in 8,7 m und 12,8 m Tiefe ein verfüllter Hohlraum angebohrt wurde. Und mit welcher Methode wurde vorher die Tiefe der „Hohlräume“ ermittelt? Es drängt sich der Verdacht auf, dass Kusch die Tiefe gemutet hat und die Bohrung keine entsprechende Aussage über anstehendes oder eingeschwemmtes Material ermöglichte.
Dies bestätigte auf Nachfrage auch Herr Fuchs von der Tiefbohrfirma Josef Fuchs GmbH, der am 28. Juli 2008 die Bohrung persönlich leitete. Laut seiner Auskunft war es nicht möglich, einen deutlichen Unterschied zwischen dem anstehenden Material und einer etwaigen Verfüllung zu erkennen.[73]
Kommentar:
Kusch legt bisher keine entsprechende Dokumentation, kein einziges Beweisfoto aus dem Bohrloch oder geologische Gutachten vor. Es liegt die Vermutung nahe, dass bei sämtlichen Bohrungen kein einziger unterirdischer Gang angefahren wurde.
Dokumentation!?
Zitat aus dem Buch „Tore zur Unterwelt“, Klappentext: Es ist ein Buch, das fesselt, weil es keine Fiktion, sondern eine Dokumentation ist, die ausschließlich auf faszinierenden Tatsachen beruht.[74]
Wichtige Grundregeln bzw. Qualitätsmerkmale einer Dokumentation sind Vollständigkeit, Übersichtlichkeit, Verständlichkeit, Strukturiertheit, Korrektheit, Nachvollziehbarkeit, Objektivität, genaue Quellenzitierung und Beweisführung. Bei allem Verständnis, das Buch als populären Sach-Bildband anzulegen, so fragt man sich doch, warum die beiden wissenschaftlich geschulten Autoren Heinrich und Ingrid Kusch[75] sich keiner wissenschaftlichen Methode bedienen. Es wäre ein Leichtes gewesen, das Buch „Tore zur Unterwelt“ populärwissenschaftlich zu gestalten, indem man die nicht zum Thema passenden großformatigen Abbildungen (z. B. Abb. 24 auf S. 37, Abb. 171 auf S. 157, Abb. 172 auf S. 160, Abb. 209 auf S. 197, Abb.210 auf S. 198) ersetzt hätte durch nachvollziehbare Beweisführungen mit Quellenzitaten und Literaturbelegen in Form von Endnoten. So fehlt dem Buch die Wissenschaftlichkeit. Auch einer Dokumentation wird es nicht gerecht.
Aneinanderreihung von Behauptungen
Kusch neigt dazu, Behauptungen in den Raum zu stellen, ohne dafür Beweise, Begründungen, Belege, konkrete Forschungsergebnisse, Vergleichsmaterial oder Literatur- und Quellenzitate vorzulegen.
Völlig anders verhält sich die Sachlage bei den zahlreichen in und um Vorau noch vorhandenen Menhiren und Lochsteinen. Sie stammen zweifelsfrei aus dem prähistorischen Zeitraum und sind zwischen 3.500 und 6.500 Jahre alt.[76]
Kommentar:
Dass die Lochsteine 3.500 bis 6.500 Jahre alt sein sollen, ist eine reine Behauptung und nicht bewiesen. Siehe dazu auch die Ausführungen weiter oben unter „Angebliche Verbindung von Lochstein und Erdstall“.
Mitten im Wald bei Vorau liegt ein monumentaler Langstein. Wegen seiner gebogenen Form, die an einen Schiffsrumpf erinnert, wird er auch „Das Schiff“ genannt. Mit seinen über siebeneinhalb Meter Länge und mehr als 50 Tonnen Gewicht ist er ein wahrer Gigant. Einst stand der mächtige Steinriese aufrecht und wurde wahrscheinlich in der Zeit der Bekämpfung des alten Glaubens umgeworfen. Kusch: „Hier auf dieser Seitenfläche sehen wir, das versucht worden ist, also diesen Stein von der Seite her wahrscheinlich zu zerstören. Allerdings ist man nicht weit gekommen und man hat es aufgegeben. Offensichtlich hat man den Stein dann umgeworfen. Es ist also die einzige Stelle, die wirklich nicht durch die Frostsprengung hier ausgebrochen ist, sondern hier wurde versucht, den Stein zu zertrümmern und zwar die Spitze abzuschlagen.“[77]
Die ganzen Steinsetzungen hier sind prähistorischen Ursprungs.[78]
Auf einigen Bergkuppen gibt es große Steinanhäufungen. Direkt darunter konnten wir meist auch vermehrt unterirdische Gänge und Kammern orten. … Das Bemerkenswerte an diesen Plätzen ist jedoch, dass es Anzeichen dafür gibt, dass es sich um alte megalithische Anlagen, das sind Großsteinbauten (Griechisch: megas = groß, lithos = Stein), gehandelt haben könnte, die dort einst in den Wäldern gestanden, aber im Laufe der letzten Jahrtausende zerstört worden sind. Somit könnten sie bronze- bzw. jungsteinzeitlichen Ursprungs, also zwischen 3.500 und 7.600 Jahre alt, oder auch noch älter sein.[79]
Kommentar:
Kusch legt keine Belege für diese Angaben vor. Sie stehen als Behauptungen im Raum, die jeglicher Wissenschaftlichkeit entbehren.
Auf Seite 192 berichte Kusch von unterirdischen Gängen, die bei Gehöften aufgedeckt wurden. Nur eines ist sicher, nämlich dass sie nachträglich an das Stollennetz angeschlossen und so in dieses integriert wurden. …
Ein großer alter Gewölbekeller unter einem Gehöft. Von diesem Keller führen zwei Gänge in das Gangnetz.[80]
Kommentar:
An welches Stollennetz? Bisher fehlt jeder Beleg für ein Stollen- oder Gangnetz!
Bekannt waren damals [im 15./16. Jahrhundert] offensichtlich die Kurzstreckenverbindungen von Hof zu Hof, sowie längere Gänge vom Hof bis in die Gipfelregion von Bergen.[81]
Kommentar:
Es ist im gesamten deutschen Sprachraum kein einziger tatsächlich existierender unterirdischer Gang bekannt, der von einem Berggipfel hinunter zu einem Bauernhaus führt.
Auf Seite 190 schreibt Kusch zur Abbildung 202: Verfüllter 25 m tiefer Schacht im Buchwald bei Vornholz. Wieso weiß Kusch, dass der Schacht 25 tief ist?
Beim Abtragen eines Hügels stieß man 1970 beim Hof der Familie Heißenberger auf einen acht Meter langen gemauerten Rundgang, der mit Steinplatten abgedeckt war. Diese Anlage wurde in einer Grabungskampagne von Univ.-Prof. Dr. Walter Modrijan vom Landesmuseum Joanneum in Graz bearbeitet. Er kam zur Erkenntnis, dass es sich um eine neuzeitliche Anlage handelt. Kusch kommt zu gänzlich anderen Schlüssen: „Heute wissen wir durch unsere Untersuchungen, dass dieser Rundgang in einem noch unbestimmten Abschnitt des prähistorischen Zeitraums errichtet wurde.“[82]
Und das, obwohl er weder bei der Grabung dabei war, noch die (nach der archäologischen Bearbeitung verfüllte) Anlage je gesehen hat. Eine Erklärung, welche Untersuchungen und Erkenntnisse es gewesen sind, die diese Uminterpretierung rechtfertigen würden, bleibt Kusch schuldig. Die Anreihung von Behauptungen ließe sich fortsetzen.
Unklare bzw. fragwürdige Methode
Rund um Vorau gibt es Geländeformationen und Kuppen mit Steinanhäufungen. Kusch schreibt dazu: Direkt darunter konnten wir meist auch vermehrt unterirdische Gänge und Kammern orten.[83] Im Zusammenhang mit einem Erdfall steht: Hier senkte sich im Garten neben dem alten Wohnhaus der Boden in einer Nacht um 25 cm. Die Untersuchung ergab, dass sich unter dieser Stelle in 10 m Tiefe eine große unterirdische Kammer und in 7 m Tiefe zwei Gänge befinden.[84]
Unsere Messungen haben dann ergeben, dass sich unter diesem über 200 m langen Plateau mindestens zwei große Hohlräume befinden.[85]
Mit welcher Methode wurden diese Erkenntnisse gewonnen? Der Klappentext des Buches spricht davon, dass das Buch eine Dokumentation ist. Wo sind dann aber beispielsweise die Aufzeichnung vom Bodenradar, der Wärmebildkamera oder das geologische Gutachten, das diese Angaben belegt? Warum legt Kusch keine Dokumentation mit Plänen, Quellenangaben und Erklärung der Forschungsmethode vor? Stammt diese Erkenntnis von einer „Mutung“? Warum gibt Kusch seine Forschungsmethoden nicht nachvollziehbar und transparent an?
Auch die Methode, einfach Behauptungen in den Raum zu stellen, ohne sie zu begründen, zu belegen und nachvollziehbar zu machen, entfernt sich weit von jeglicher Wissenschaftlichkeit.
Keine Unterscheidung der verschiedenen unterirdischen Objekte
Bei der Exkursion im Rahmen der Erdstalltagung im September 2011 wurden sieben unterirdische Objekte besucht und es war sofort klar, dass wir da völlig verschiedene Typen vor uns hatten. Wassergänge sind keine Erdställe, auch ein unterirdischer Sandabbau hat nichts mit einem Erdstall zu tun, und ein bergmännischer Prospektionsstollen auch nicht.
Da stoßen wir auf ein Kernproblem von Kuschs vorgelegten Forschungsergebnissen. Es werden unterschiedliche unterirdische Anlagen einfach in einen Topf geworfen. Es ist keine Unterscheidung nach Typ, Zweck und Alter erkennbar. Es findet sich bei Kusch keine Typologie und keine Definition der verschiedenen unterirdischen Objekte. Da es auch keine entsprechende Foto- und Plandokumentation gibt, sind die von Kusch vorgelegten pauschalen Interpretationen nicht überprüfbar, nicht belegt, nicht nachvollziehbar und somit höchst problematisch.
Und wenn erfahrene Erdstallforscher diese Anlagen persönlich in Augenschein nehmen, dann kommen sie zu deutlich anderen Ergebnissen als Kusch. Es drängt sich die Vermutung auf, dass Kusch deshalb pauschal alle unterirdischen Objekte vereinnahmt, weil er damit ein großes kilometerlanges unterirdisches System glaubhaft machen will.
Widersprüchliches
Bei seinem Vortrag bei der Erdstalltagung am 18. September 2009 berichtete Heinrich Kusch, dass der Sensationsfund aus der Jungsteinzeit, der Silex aus dem Erdstall Kandlhofer, im „Abfallschacht“ gemeinsam mit tausenden Scherben von über hundert Gefäßen aus dem 15. bis 17. Jahrhundert gefunden wurde, im Buch schreibt er aber, der Silex stamme aus dem Bodensediment.[86]
Bei einem Vortrag am 17. September 2010 im Rahmen der Erdstalltagung in Raabs berichtete Heinrich Kusch von seinen Forschungsergebnissen im Jahr 2010 und der Entdeckung von 288 Felsgängen, 22 Bergwerken, 57 gemauerten Gängen und 93 Einbrüchen von Gängen und Kammern und ergänzte dann, „ich lasse nur das gelten, wo ich selbst drin war.“
Selbst wenn Kusch 288 Felsgänge, 22 Bergwerksstollen und 57 gemauerte Gänge untersucht hat, so bestehen massive Zweifel, ob es möglich war, 93 Einbrüche so zu begehen bzw. zu verifizieren, dass eine klare Aussage darüber möglich ist, ob unterirdische Gänge eingebrochen sind, oder ob es sich lediglich um einen natürlichen Erdfall handelt. Wieso legt Kusch keine Dokumentation mit Bildern und Vermessungsplänen davon vor?
Im Buch, auf der DVD und in den Beiträgen im Erdstallheft bedankt sich Kusch bei zahlreichen Wissenschaftlern, eigenartigerweise kommen aber deren Forschungsergebnisse nicht vor. Es drängt sich die Vermutung auf, dass sie zu anderen Erkenntnissen als Kusch gelangten. Werden deren Forschungsergebnisse bewusst ausgeblendet? Eine stichprobenartige Überprüfung nährt diesen Verdacht.[87]
„Mutung“ der unterirdischen Gänge
Wir fanden diese [die unterirdischen Gänge] anfangs zum Teil durch radiästhetische Messungen (= Wahrnehmung von Hohlräumen durch veränderte Strahlungsfelder an der Erdoberfläche) …[88]
Der Zugang zum Erdstall Lehenbauer und dessen genaue Lage bzw. Verlauf konnte mittels einer radiästhetischen Messung auf den Meter genau ermittelt und in der Folge gezielt durch Grabungsarbeiten, … freigelegt werden.[89]
Kommentar:
Man muss wissen, dass „radiästhetische Messungen“ mit dem Pendel oder der Wünschelrute durchgeführt werden, also „Mutungen“ sind, die jeglicher Wissenschaftlichkeit entbehren.
Wir konnten durch radiästhetische Messungen feststellen, dass in rund 6 m Tiefe von dieser Kammer vier Gänge sternförmig von dem Einbruch wegführen. … wo ein Gangansatz gemutet worden war ... Kusch gesteht aber dann selbst zu, dass bei der Nachgrabung lediglich ein Gang angetroffen wurde. [90]
Bei den Untersuchungen zum Auffinden der Krypta und von unterirdischen Gängen unter dem Stift Vorau wurde auch ein Bodenradar eingesetzt. Dies führte allerdings zu keinem Erfolg.[91] Auch durch „Mutungen“ war versucht worden, die Krypta aufzufinden. Die Methode der Wünschelrute versagte genau dort, wo es auf etwas ankommt.
Zum Erdstall „Gessl“ auf der Kring bei Vorau schreibt Kusch: Interessant wäre, den Zustiegsschacht zu den unter dem Haus befindlichen Gängen zu finden und zu öffnen, die nach allen vier Himmelsrichtungen vom Gehöft in etwa 10 bis 15 m Tiefe wegführen, wobei der Verlauf von zwei gemuteten Gangpassagen durch zwei Lochsteinen an der Oberfläche gekennzeichnet ist.[92]
Das tatsächliche Vorhandensein dieser vier Gänge darf bezweifelt werden.
Erfolglos war eine Grabung im Gartenhauskeller beim Stift Vorau. Im Jahr 2007 suchte Kusch dort einen unterirdischen Verbindungsgang zwischen der Mariensäule und dem Friedhof, jedoch ohne befriedigendes Ergebnis. Denn leider füllte sich kurz vor dem vermeintlichen Durchbruch nach einer 0,7 m tiefen Sondierungsbohrung der Schachtgrund mit Wasser. Kusch vermutet, dass es von dem darunterliegenden mit Schlamm verfüllten Gang heraufgedrückt wurde.[93] Auch hier versagte die Mutung.
Das Problem der „radiästhetischen“ Untersuchungen
Während meiner 35-jährigen Auseinandersetzung mit Erdställen hatte ich auch immer wieder Kontakt mit Wünschelrutengehern, die angaben, die unterirdischen Gänge „muten“ zu können. Ich habe im Laufe der Zeit mit insgesamt vier Wünschelrutengehern ein Experiment angestellt. Ich fuhr mit ihnen zu einem Erdstalleinstieg, wo mir der Verlauf der unterirdischen Gänge durch die Vermessung exakt bekannt war (ich kann also an der Oberfläche genau den Verlauf des unterirdischen Ganges ausstecken). Keiner Person gelang es, den richtigen Gangverlauf mit der Wünschelrute festzustellen.
Die Erkenntnis, dass es in diesen Experimenten nicht möglich war, die unterirdischen Gänge seriös mit der Wünschelrute nachzuweisen, stimmt auch mit den in Wikipedia unter dem Begriff „Wünschelrute“ veröffentlichten Angaben überein. Zitat:
Die Wünschelrute ist ein … Instrument, das in der Hand eines sogenannten Rutengängers auf Anziehungskräfte oder Ausstrahlungen von Erzen und Metallen, Wasseradern, geologischen Verwerfungen oder verborgenen Gegenständen im Erdreich reagieren soll. Diese Vorstellung wurde erstmals im Spätmittelalter dokumentiert, konnte jedoch noch nie seriös nachgewiesen werden.
Die Geologie fast aller Kulturstaaten, besonders in Deutschland, hat sich seit langen Jahren, um nichts unversucht zu lassen, mit zahlreichen exakten Prüfungen der Wünschelrute (des Pendels und Apparaten nach Art der Wünschelrute) beschäftigt. Sie hat keine Gelegenheit unterlassen, Angaben von Wünschelrutengängern mit den tatsächlichen Verhältnissen des Untergrundes zu vergleichen. Das klare Ergebnis ist, dass ein Zusammenhang zwischen Wünschelruten-(Pendel-)Ausschlag und Untergrund nicht erwiesen, ja noch nicht einmal wahrscheinlich gemacht worden ist.
Die Direktoren der genannten geologischen Landesämter müssen daher nachdrücklichst darauf aufmerksam machen, dass die Wünschelrute zum Aufsuchen von Bodenschätzen jeglicher Art, einschließlich Wasser, völlig unbrauchbar ist. Vor allem muss bei allen Arbeiten … aufgrund der wissenschaftlichen Erkenntnis die Verwendung der Wünschelrute entschieden abgelehnt werden.“[94]
Das Wünschelrutenphänomen hat ihre Existenz dem Aberglauben, der Autosuggestion, kurz gesagt der Leichtgläubigkeit der Menschen zu verdanken.[95]
Die Frage, ob die von Kusch gemuteten unterirdischen Gänge nun tatsächlich existieren, ist von zentraler Bedeutung. Denn entweder es ist eine unwissenschaftliche Mutung und somit eine Behauptung, oder aber es ist Realität. Falls es diese kilometerlangen unterirdischen Gänge nicht gibt, dann gibt es auch die „Tore zur Unterwelt“ nicht. Dann sind das nämlich ein paar Einzelobjekte, neuzeitliche Wassergänge, Sandabbaue, bergmännische Prospektionsanlagen, mittelalterliche Erdställe usw.
Ich zweifle die radiästhetischen Untersuchungsergebnisse, sprich die Mutungen, von Heinz Kusch an. Ich bin auch gerne bereit, den beschriebenen praktischen Versuch mit Heinz Kusch zu wiederholen. Bei dem Experiment würde die Forschungsmethode auf dem Prüfstand stehen, es ginge um eine rein sachliche Klärung. Und was könnte es Besseres geben, als diese vor einem kritischen Gremium zu überprüfen.
Erstaunlich ist, was das Institut für Geophysik von der Universität Stuttgart auf ihrer Homepage über die Wünschelrutengeher schreibt:
Lassen Sie sich nicht durch das pseudowissenschaftliche Kauderwelsch beeindrucken, mit dem Sie in Vorträgen und Druckschriften von Rutengängern überschüttet werden. Die Rutengänger brauchen es, um ihr unbedarftes Publikum zu beeindrucken, und glauben vielleicht selber daran, aber sie wissen nicht, wovon sie reden. Seien Sie besonders vorsichtig, wenn sich der Rutengänger mit akademischen Titeln wie Prof., Dr. oder Ing. schmückt. … Wir müssen peinlicherweise gestehen, dass es dafür auch in den letzten Jahren mehrere Beispiele gibt.[96]
Die Frage der Glaubwürdigkeit der von Kusch angestellten radiästhetischen Untersuchungen stellt sich durch seine publizierten Ergebnisse zwangsläufig. In seinem Buch auf Seite 46 erfahren wir von unterirdischen Gängen und Kammern unter dem Stift Vorau, insbesondere unter der Frauensäule. Sie verlaufen dort in rund 12–70 m Tiefe … Kusch kann aber keinen einzigen unterirdischen Gang unter dem Stift Vorau vorzeigen.
Auf Seite 75 bekommt man eine Grafik vorgelegt, die ein umfangreiches Gangsystem unter dem Stift Vorau darstellt. Es ist nicht ersichtlich, worauf diese Angaben beruhen. Auf Mutungen, auf Sagen, auf Bodenradar oder anderen Möglichkeiten des Erkenntnisgewinns? Dasselbe gilt für die auf Seite 177 angeführten 10 bis 15 km langen unterirdischen Gänge.
Laut Fototext zu Abbildung 69 (Seite 82) wurde bei der Bohrung unter dem Stift eine Kammer angebohrt, die 12 x 14 m misst und 6 m hoch ist. Es stellt sich die Frage, wie diese Ausmaße von 12 mal 14 m festgestellt wurden? Durch radiästhetische Untersuchungen?
Gegenüberstellung der allgemeinen Kenntnisse der Erdstallforschung und der Angaben von Kusch:
Thema | Kenntnisse der allgemeinen Erdstallforschung | Theorien von Kusch |
Zeitstellung | Die Erdställe gehören zeitlich ins Mittelalter. Soviel wir aus C14-Datierungen und Befunden von archäologischen Grabungen wissen, werden Erdställe im deutschsprachigen Raum vom 11. bis zum 14./15. Jahrhundert gebaut. | Zum Teil 3.500 bis 6.500 Jahre alt und älter |
Länge der Erdställe | Erdstallanlagen sind meist 30 bis 40 m lang, einige erreichen auch eine Ausdehnung bis zu 50 m, wenige sind bis zu 60 m lang, äußerst selten gibt es welche, die noch etwas länger sind. Nur ein einziger Erdstall im deutsch-sprachigen Raum ist um die 100 m lang. | Kilometerlange Gänge |
Überdeckung | Erdställe weisen meist eine Überdeckung von 2 bis 3 m auf, selten bis zu 4 m; wenn sie in einen Hang hineinführen, dann sind auch Überdeckungen von bis zu 7 m bekannt. | Die Gänge und Schächte reichen bis in 430 m Tiefe |
Typische Merkmale der Erdställe | Ein sehr prägendes Merkmal ist der Schlupf (eine Engstelle, durch die man durchschlupfen muss), enge, winkelige Gänge, kleine Kammern, Lampennischen. | Einige wenige Gänge besitzen einen Schlupf |
Verbindung zu Lochsteinen | Existierten nicht | „Megalithische“ Lochsteine weisen auf unterirdische Gänge hin |
Trockenmauern | Hinter Trockenmauern befinden sich sehr oft Bauhilfsschächte | Kusch vermutet hinter den Trockenmauern (kilometerlange) Gangfortsetzungen |
Zweck | Dass die Erdställe als Zufluchtsanlagen und Verstecke dienten, ist erwiesen, die noch offene Frage ist, ob sie auch zu diesem Zweck oder als Kultstätte erbaut wurden. | „kann ich noch nicht sagen“ |
Resümee
Ein seriöses Aufspüren (Muten) von unterirdischen Gänge mit der Wünschelrute ist nicht möglich. Die von Kusch behaupteten kilometerlangen unterirdischen Gänge existieren nicht.
Die tatsächlich belegten Anlagen sind nur ein winziger Bruchteil der von Kusch behaupteten unterirdischen „Systeme“. Viele der unterirdischen Anlagen lassen sich mit entsprechender Erfahrung und Sachkenntnis als neuzeitliche Wassergänge, unterirdische Sandabbaue, bergmännische Prospektionsanlagen und (mittelalterliche) Erdställe ansprechen.
Es besteht kein Zusammenhang zwischen Lochsteinen (Gattersteinen) und den Erdställen.
Kusch stützt seine Uralt-Theorie hauptsächlich auf den angeblich „alten Plan aus der Kanonenkugel“, den Fund einer „prähistorischen Silexklinge“ und den „megalithischen Ausmauerungen“ der Gänge. Zu diesen vorgetragenen „Belegen“ gibt es aber deutlich abweichende wissenschaftliche Meinungen und Forschungsergebnisse: Der alte Plan entpuppte sich als Skizze aus dem 20. Jahrhundert, auch das als alte Kanonenkugel angesprochene Geschoß stammt aus dieser Zeit und die „prähistorische Silexklinge“ ist ein neuzeitlicher Flintstein. Die zeitliche Zuordnung von Gangteilen auf 3.500 bis 6.500 Jahre ist unhaltbar, ebenso die von Kusch vorgetragene Uralt-Theorie zu den unterirdischen Gängen im Raum Vorau. Soweit eine Beurteilung der unterirdischen Anlagen auf Grund ihrer Charakteristik, dem Gepräge, der Bautechnik und ihrer Funktion möglich ist, handelt es sich um mittelalterliche und neuzeitliche Anlagen.
Grundsätzlich ist es erfreulich, dass sich das Forscherpaar Kusch mit dem Team von Sub Terra Vorau so intensiv mit den unterirdischen Objekten in der Steiermark beschäftigt und ein so attraktiv gestaltetes Buch zum Thema herausgab, jedoch ist die Interpretation der Anlagen als prähistorisch und der esoterisch-romantisch verklärte Zugang äußerst problematisch. Wenn spekulative und sogar falsche Angaben als historische Realität ausgegeben werden, besteht dringender Korrekturbedarf.
Anton STREICHELE: Das Bistum Augsburg historisch und statistisch beschrieben. Bd. 2. 1861, S. 418ff (uralt, vorrömisch, religiöser Kult).
F.S. HARTMANN: Über unterirdische Gänge und künstliche Höhlen. In: Beiträge zur Anthropologie und Urgeschichte Bayerns. Bd. 2. 1897. S. 155–171 (Erdmutterkult, unterirdische Tempelanlagen).
SEPP: Die labyrinthischen Berggänge in Altbayern. In: Beitrag zur Anthropologie und Urgeschichte Bayerns. Bd. 2, 1879. S. 175–178 (uralte künstliche Grabgänge).
A. THIERSCH: Die künstlichen Höhlen in Unterbachern und Kissing. In: Beiträge zur Anthropologie und Urgeschichte Bayerns. Bd. 2. 1879. S. 151–154 (Vergleich mit römischen Katakomben, Totenkult, Grabstätten).
I. ZAPF: Zwerghöhlen in Bayern. Bayerland 1891. S. 464 (der Erdmutter geweihte uralte Kultstätten).
BAYERL: Künstliche Höhlen in Bayern. In: Beiträge zur Anthropologie und Urgeschichte Bayerns. Bd. 13. München 1902. S. 20 f und 163f (aus der Römerzeit, dienten dem Coros-Kult).
Lambert KARNER: Künstliche Höhlen aus alter Zeit. Wien 1903. S. 231 ff (heidnischer Kultplatz, später Zufluchtsanlagen).
Franz KIESSLING: Über das Rätsel der Erdställe. Hrsg. Roland. Verein niederösterreichischer Altertumskunde. Wien 1923. S. 24f und 27 (aus prähistorischer Zeit, Totenkultstätte einer „zwergenhaften Menschenrasse“).
Josef WEICHENBERGER: Geheimnisvolle unterirdische Gänge. In: Worauf wir stehen. Archäologie in Oberösterreich. Weitra 2003. S. 209f.
Josef WEICHENBERGER: Erdställe – hochmittelalterliche Zufluchtsanlagen und Verstecke? In: Beiträge zur Mittelalterarchäologie in Österreich. 25 Lebenswelten im ländlichen Raum. Wien 2009. S. 289–300.
Josef WEICHERNBERGER: Zeitstellung der österreichischen Erdställe. In: Der Erdstall, Heft 29, Roding 2003. S. 52–56.
Martin KRENN: Anforderungen und Aufgaben in der archäologischen Denkmalpflege am Beispiel mittelalterlicher Siedlungsstrukturen. Diss. Wien 2008. Gedruckt in: Fundberichte Österreich, Materialhefte 20, Wien 2012.
[45] Manfred MACEK: Überlegungen zum Erdstallproblem in Österreich am Beispiel der Hausberganlage von Althöflein in Niederösterreich. Studie zur Dokumentation, Bauweise, Bewetterung, Funktion und Datierung. Diplomarbeit am Institut für Ur- und Frühgeschichte Wien 1997/98.